5. Interview – Erzähl mir deine (Schul-) Geschichte

Das Interview wurde geführt mit

Anita Stolpe
Jürgen Stolpe

Datum des Interviews: 8. Dez. 2020
Schulzeit: 1955 – 1963 | 1957 – 1965

Die Kindheit Ende der 50er Anfang der 60 Jahre war geprägt von der Trennung Berlins und dem Mauerbau im Sommer 1961 sowie dem erzwungenen Eintritt der familiär geführten kleinbäuerlichen Betriebe in die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft „LPG“. Dennoch hatten die Schüler eine schöne Kindheit und wurden von den Lehrern nur in einem sehr geringen Maße politisiert. Die Jugendweihe war im Dorf kein Thema, fast jedes Kind wurde dank eines kumpelhaften und sich einbringenden Pfarrers konfirmiert.

Anita und Jürgen Stolpe in ihrem Garten © by Adam Sevens
Anita und Jürgen Stolpe © by Adam Sevens
Einschulung von Jürgen Stolpe auf dem Schulhof (1957)
Einschulung 1957 auf dem Schulhof

Konfirmation von Jürgen Stolpe (1965)

Konfirmation von Jürgen Stolpe 1965

10 Kinder in der ersten Klasse

1957 war die Einschulungsklasse in Wittbrietzen 10 Schüler stark, es wurden nur Wittbrietzener und Lühsdorfer Kinder eingeschult. Die anderen Dörfer wie Bucholz, Elsholz oder Salzbrunnen hatten eigene Schulen, erst in der 5 Klasse wurden die Schüler in Wittbrietzen zusammengeführt. Dies hing mit der Bildung der Schulkombinate in der DDR zusammen. Zur Einschulung gab es zwar Zuckertüten, dennoch gab es keine große Einschulungsfeier wie es heute üblich ist.

Verhältnis von Lehrer zu Schüler

Das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler zu der Zeit kann man als sehr freundschaftlich bezeichnen. Nach der Schule haben viele Lehrer mit den Jugendlichen Zeit verbracht, Sport gemacht, an Wettkämpfen teilgenommen oder es wurde zusammen Theater gespielt. Außerdem fanden gemeinsam Ausflüge mit Fahrrad (z.B. bis nach Caputh, 34km entfernt) oder Zug statt, nicht selten zu den Lehrern nach Hause.

Unterricht zweier Klassen in einem Raum

Bis zur vierten Klasse wurden stets zwei Klassen in einem Raum unterrichtet. Die erste und dritte Klasse zusammen sowie die zweite und vierte Klasse. Die Klassenstärke lag meist nur bei 8 bis 10 Kindern. Die jeweils älteren Schüler mussten sich um die Jüngeren kümmern und ihnen beispielsweise bei den Hausaufgaben helfen. Ab der fünften Klasse wuchs die Schüleranzahl dann pro Klassenstufe von vorher 8-10 auf über 20. Es kamen dann die Schüler aus den umliegenden Dörfern wie Elsholz, Salzbrunn oder Buchholz dazu. Von dort an wurde jede Klassenstufe wieder getrennt unterrichtet.

Jugendweihe oder Konfirmation

Die Jugendweihe war bei den Schülern und Lehrern kein großes Thema. Alle Kinder wurden konfirmiert, nur ein Kind hatte die Jugendweihe, wurde ein Jahr später konfirmiert. Im Nachbardorf Elsholz sah das aber anders aus, dort gab es mehr Jugendweihen. Insbesondere die Lehrer übten keinerlei politischen Druck auf die Schüler aus, um sie mehr in Richtung der Jugendweihe zu bewegen.

Mauerbau und Teilung Berlins

Der Mauerbau in Berlin 1961 während der Sommerferien, Trennung von Berlin und die politischen sowie sozialen Konsequenzen der Teilung Berlins waren für die Schüler nur schwer zu verstehen, es wurde im Schulunterricht auch nicht thematisiert.

Inhalt des vollständigen 5. Interviews (Länge 42:07 min)

  • (00:59) Schüler konnten es sich aussuchen, ob sie nach der 8. Klasse weitere zwei Jahre in Beelitz die 9. Und 10. Klasse besuchen, ein paar Jahre später mussten die Schüler dann 10 Jahre zur Schule gehen
  • (01:36) Zur Einschulung wurde Mitte der 50er Jahre noch keine große Einschulungsfeier gemacht, Zuckertüten gab es aber
  • (02:10) 1957 war die Einschulungsklasse in Wittbrietzen 10 Kinder stark, es wurden nur Wittbrietzener und Lühsdorfer Kinder eingeschult, die anderen Dörfer wie Bucholz, Elsholz oder Salzbrunnen hatten eigene Schulen, erst in der 5 Klasse wurden die Schüler in Wittbrietzen zusammengeführt (mit der Bildung der Schulkombinate)
  • (04:50) Jeden Montag gab es einen Fahnenapell auf dem Schulhof, Pioniere mussten ihr Halstuch umhängen, Schüler wurden während des Apells ausgezeichnet
  • (08:15) Es gab noch kein Schulessen zum Mittag, jeder Schüler hatte eine Stullenbüchse bzw. Brottasche dabei, Mittag wurde zuhause gegessen
  • (10:40) Das Verhältnis von Lehrer zu Schüler war sehr gut, nach der Schule haben viele Lehrer mit den Jugendlichen Sport gemacht an Wettkämpfen teilgenommen, zusammen wurde Theater gespielt, Ausflüge mit Fahrrad und Zug wurden zusammen gemacht
  • (14:15) Es wurden immer zwei Klassen in einem Raum unterrichtet (erste und dritte sowie zweite und vierte Klasse) bis es in der 5. Klasse mehr Schüler wurden, die Schüler der älteren Klasse mussten sich z.B. bei den Hausaufgeben um die Jüngeren kümmern
  • (16:25) Im Sportunterricht im Winter Schlitten fahren gewesen oder in den höheren Klassen auf dem Schulhof Fußball gespielt (Jungs gegen Mädels)
  • (18:50) Nach der Schule mussten die Jugendlichen zuerst noch auf den familiären Bauernhöfen aushelfen, ab 1961 änderte sich das mit der Gründung der LPG bzw. mit der Pflicht, dass die Bauern sich dieser anschließen mussten
  • (20:20) Mauerbau in Berlin 1961 während der Sommerferien, Trennung von Berlin und die politischen sowie sozialen Konsequenzen der Teilung Berlins waren für die Schüler nur schwer zu verstehen, es war auch kein Thema in der Schule
  • (23:30) Die FDJ war in der Schule in Wittbrietzen nicht präsent, die Jugendlichen waren in der „Jungen Gemeinde“, um die sich Pfarrer Gümbel sehr kümmerte und viel unternommen hat
  • (24:45) Jugendweihen war bei den Schülern und Lehrern nicht sehr präsent. Alle Kinder wurden konfirmiert, nur ein Kind hatte die Jugendweihe, wurde ein Jahr später konfirmiert. Im Nachbardorf Elsholz sah das aber anders aus, dort gab es mehr Jugendweihen. Insbesondere die Lehrer übten keinerlei politischen Druck auf die Schüler aus, um sie mehr in Richtung der Jugendweihe zu bewegen.
  • (27:45) Kreissportfest in Werder (Spartakiade) einmal im Jahr war für die Schüler ein Highlight, Sportfeste im Dorf jeweils zum 1. Mai
  • (29:46) Kinder waren zu der Zeit nach der Schule auf der Straße oder am Konsum spielen, Treffpunkt war die Milchbank, dennoch mussten viele Kinder körperlich schwere Aufgaben auf den familiären Bauernhof leisten, auch nachdem das meiste Vieh und die größten Äcker 1961 in die LPG übergingen (Faszination Traktorfahren)
  • (31:30) Schulbildung ermöglichte den Schülern eine Wunschausbildung in Beelitzer Handwerksbetrieben, viele starteten aber auch anschließend eine Lehre in der Wittbrietzener LPG, die Berufsschule war wiederum in Beelitz, die 10. Klasse konnten die Jugendlichen später in der Volkshochschule nachmachen
  • (37:44) Die Kindheit im Dorf war schön, Fastnachten war damals schon ein Highlight, Tanz für Jung und Alt zu vielen Gelegenheiten, es gab zwei Gaststätten im Dorf in denen Billiard gespielt werden konnte
  • (39:17) Es gab Kinovorführungen (im sogenannten „Landkino“) einmal pro Woche für Kinder ab 14 Jahre (16 Uhr) und Erwachsene (19 Uhr), die Jugendlichen konnten beim Aufbau zur Kinovorführung helfen und hatten dann kostenlosen Eintritt. Als sich in den Folgejahren die Fernseher in den Privathaushalten durchsetzen, ebbte die Kinobegeisterung ab
  • (41:05) Aufgrund einer Partnerschaft zwischen der LPG und der ASK Potsdam (Armeesportklub) besuchte Hans Grodotzki das Dorf und zeigte Lichtbilder, er gewann er bei den Olympischen Sommerspielen 1960 in Rom zwei Silbermedaillen, im 5000- und im 10.000-Meter-Lauf, außerdem machte der ASK mit Pferden Springturniere und es gab Abends einen Reiterball

Fragekatalog – Folgende Fragen wurden gestellt

  • Wie heißt du und wann bist du in Wittbrietzen zur Schule gegangen?
  • Was sind die ersten Erinnerungen an deine Schulzeit?
  • Wie groß war eure Klasse? Welches Schreib- und Schulmaterial hattet ihr zur Verfügung und an welche Anschauungsmaterialien und technischaen Geräte erinnerst du dich?
  • Welche Erinnerungen hast du an das Schulgebäude, seine innere Ausstattung und den Schulhof? Was hing an den Wänden?
  • An welche Lehrer erinnerst du dich und warum? Wie erlebtest du das Verhältnis zwischen Lehrer und Schülern?
  • Wie sah dein weiterer Tagesablauf nach der Schule aus und in welcher Weise haben deine Eltern deine schulische Entwicklung begleitet?
  • Welchen Stellenwert hatte für dich die kirchlichen Parallelangebote Christenlehre und Junge Gemeinde?
  • Mit welchem Bild, welcher Methapher würdest du deine Schulzeit in Wittbrietzen beschreiben wollen?
  • Welche besonderen Umstände in der Familie, im Dorf und in der Gesellschaft prägten eure Schulzeit? Welchen Einfluss hatte die Politik auf deinen Schulalltag?
  • Gibt es sonstige besondere Erlebnisse oder Konflikte, die du mit deiner Schulzeit / Freizeit verbindest?
  • Hast du den Eindruck, eine gute und ausreichende Schulbildung genossen zu haben?

Das ganze Interview gibt es im Archiv

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